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Zum Tod von Kraftwerk-Gründer Florian Schneider-Esleben
Wie viele Musiker er beeinflusst hat, kann keiner zählen: Florian Schneider-Esleben, Mitgründer der Düsseldorfer Elektro-Pioniere Kraftwerk, ist tot. Jetzt wurde bekannt, dass das Soundgenie bereits Ende April nach kurzer Krankheit gestorben ist.

In den 60er-Jahren lernte Florian Schneider den Kommilitonen Ralf Hütter am Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf kennen. Beide waren "Söhne aus gutem Haus", beide waren Musikstudenten, die nebenher in Rock- und Jazzbands spielten. Sie mochten sich und gründeten eine eigene Formation, der sie den namen "Organisation zur Verwirklichung gemeinsamer Musikkonzepte" gaben. Weil das nun wirklich furchtbar unsexy klingt, verkürzten sie ihn auf "Organisation". Das klang international und nicht mehr ganz so technokratisch.

Die "Organisation", (ein Quartett mit Jazz-Schlagzeuger Paul Lovens und Bassist Eberhard Kranemann), trat vor allem auf Vernissagen und in Galerien auf. Florian verfremdete den Klang seiner Querflöte mit Effektgeräten, Ralf bediente derweil die Hammond-Orgel.

Nach Klaus Doldinger kam der "Krautrock"
Florian Schneider war schon damals so gut, dass ihn Jazzsaxofonist Klaus Doldinger in seine Band holte und ihn zu Schallplatten-Aufnahmen einlud. Die Düsseldorfer Musikstudenten hatten jedenfalls Blut geleckt. Als Ende der 60er-Jahre das Aufnehmen von Platten deutscher Rockbands anlief und die englische Musikpresse diese Produkte unter dem abfälligen Rubrum "Krautrock" subsumierte, waren auch Ralf und Florian, wie eine ihrer späteren Platten hieß, mit von der Partie.

1970 gründeten sie die Gruppe Kraftwerk. Das Innencover der ersten LP ziert ein Foto des Künstlerehepaars Bernd und Hilla Becher, die monströse Schwarz-Weiß-Abbildung eines Transformators. Florian hatte schon immer einen guten Draht zur modernen Kunst. Sein Vater war der renommierte Architekt Paul Schneider-Esleben, der sich kurz PSE nannte, Erbauer des Köln-Bonner Flughafens und des ersten Auto-Parkhauses der Bundesrepublik. Moderne Kunst gehörte in Florians Elternhaus zum guten Ton. Deshalb hat er auch zeitweise in Köln beim Komponisten-Guru Karlheinz Stockhausen, dem Vater der elektronischen Avantgarde, studiert.

Halbfreie Musik ohne Worte, stattdessen mit Conga-Getrommel
Schneider-Esleben und Hütter wollten jedenfalls keinen Rock’n’Roll machen, auch wenn sie Iggy & The Stooges liebten, und auf keinen Fall Schlager, sondern moderne, elektronische Musik, die die Situation in einer Konsum- und Industriegesellschaft reflektiert. Das gelang ihnen, zuerst entwickelten sie mit wechselnden Musikern – unter anderen Klaus Dinger am Schlagzeug und Michael Rother an der E-Gitarre, die später NEU! bildeten – rhythmische Instrumentalmusik ohne Worte, halbfreie Geräusch-Ton-Collagen mit viel Conga-Getrommel. Der Hit der Krautrock-Phase von Kraftwerk hieß "Ruckzuck", ein heftig akzentuiertes Thema auf der Querflöte, das als Titelmelodie des ZDF-Magazins "Kennzeichen D" eingesetzt wurde.

Durchschlagenden Erfolg hatten Kraftwerk, als sie 1974 "Autobahn" veröffentlichten, ein synthetisch-fröhliches Tongemälde mit Gesang, das das Fahren auf einer "Fernverkehrsstraße" nachzeichnet. Kraftwerk hatten die Musik auf einige wenige, rein elektronische Klanggebilde reduziert, die sich abwechselnd wiederholten: Der Song wurde umgehend ein weltweiter Hit und führte zur ersten USA-Tournee der Gruppe.

Das Fliegende Wohnzimmer im Klingklang-Studio
In der Düsseldorfer Mintropstraße richtete man sich nun das Klingklang-Studio ein, Kraftwerks legendäre Werkstätte, die Ralf Hütter mal scherzhaft als "Fliegendes Wohnzimmer" bezeichnete, weil die vier Pop-Musiker hier mit der Regelmäßigkeit von Beamten zum Musizieren antraten.

Damit begann die große, die klassische Zeit von Kraftwerk, wie sie die Popwelt heute kennt. Ralf und Florian fungierten offiziell als Komponisten-Team. Mit den beiden Schlagzeugern Karl Bartos und Wolfgang Flür schufen sie auf einer Handvoll Alben (und einigen Singles) ein scheinbar naives Abbild der modernen Welt. Mit Konzeptalben wie "Radioaktivität", "Trans Europa Express", "Mensch Maschine" und "Computerwelt" veränderten sie für immer Klang und Anmutung der Popmusik. Computerisierung, Roboter und Medienkonsum skizzierten sie auf hypnotischen Elektro-Pop-Songs, die aus Morsezeichen, sterilen Sinuswellen und Beats aus dem Drumcomputer bestehen, vorweg.

Auch David Bowie war großer Kraftwerk-Fan
Florian Schneider, der sich vor allem um die Synthetisierung des Sprachklangs bei Kraftwerk spezialisiert hatte, war ein ausgesprochener Modeliebhaber. Elegante Anzüge, Mäntel und Schuhe kaufte er nicht von der Stange, er ließ sie nach Mass anfertigen.

Sogar David Bowie war derart angetan von den Düsseldorfern, die er "Goldjungs" nannte, dass er mit ihnen kooperieren wollte. Diese aber lehnten selbstbewusst ab. Immerhin: Im Song "Trans Europa Express" würdigten sie das Treffen mit ihm und Iggy Pop auf dem Düsseldorfer Hauptbahnhof. Und Bowie spielte für sein Berlin-Album "Heroes" den Song "V2-Schneider" ein – eine Anspielung auf die letzte Wunderwaffe der Nazis wie auf den Musiker mit dem gepflegten Äußeren und den gehobenen Umgangsformen.

Afroamerikaner sampelt Kraftwerk
HipHop-Pionier Africa Bambaataa sampelte den "Trans Europa Express" für sein Stück "Plante Rock" – es war das erste Mal, dass sich ein Afroamerikaner bei den Grooves weißer Kollegen bedient hat. Unzählige Techno-Größen nennen Kraftwerk als wichtigste Bezugsgröße und Vorbild. 1998 wurde der hünenhafte Musiker zum Professor an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe berufen. Er sollte dort "Medienkunst und Performance" lehren, hat die Dozentur aber, wie man hört, nie angetreten.

2009 hatte selbst Florian Schneider genug, er verließ die Gruppe, mit der er Weltruhm erlangt hat. Wie erst jetzt bekannt wurde, ist Florian Schneider-Esleben bereits am 30. April nach einer kurzen Krebserkrankung gestorben – im Kreise seiner Familie in Düsseldorf, der Stadt, die er mit Kraftwerk auf die Landkarte des Pop gebracht hat.

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